[NMS] NPD hetzt gegen Flüchtlinge: Märchenstunde mit kriminellen "Politikern"

Proch und Nordhorn hetzen gegen Flüchtlinge

2013 organisierte die extrem rechte NPD, die im Wahlkampf auch mit rassistischen Slogans wie "Heimreise statt Einreise" auftritt, bundesweit mehr als 60 Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte. Die SWR-Sendung Report Mainz zitiert Prof. Hajo Funke: "Das erinnert mich an die Situation in den frühen neunziger Jahren, wo es auch so anfing und die Rechtsextremen es geschafft haben, die Stimmung in der Bevölkerung zu radikalisieren, auch zu Gewaltakten." Tatsächlich ist auch im vergangenen Jahr die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Asylsuchende und deren Unterkünfte rapide gestiegen (2013 wurden mindestens drei Mal so viele wie im Vorjahr registriert), von August bis Oktober 2013 gab es fünf Brandanschläge.1 

Auch in Neumünster versucht die NPD, den Hass auf Flüchtlinge zu schüren: Im Feburar 2014 verteilten der Neumünsteraner Ratsherr Mark Proch und der Kreisverbandsvorsitzende Daniel Nordhorn Flyer der extrem rechten Partei mit der Aufschrift "Asylflut stoppen". Diese wenig tiefgründrige Hetzschrift, in deren V.i.S.d.P Mark Proch als Verantwortlicher aufgeführt ist, basiert im Wesentlichen auf folgenden Behauptungen: Die Flüchtlinge würden den Steuerzahler_Innen in Neumünster zu viel Geld kosten, sie seien per se kriminell und würden "Asylmissbrauch" betreiben. Wie wenig das im Flyer gezeichnete Bild der Realität entspricht, zeigt ein Blick auf die Fakten.

 

Der Verschwörungswahn der NPD und das Märchen von Drei-Sterne-Hotels

Die NPD, die die deutsche Flüchtlingspolitik für eine Fortführung einer alliierte Verschwörung hält, um "das deutsche Volk genetisch aufzulösen", warnt auf der auf dem Flyer angegebenen Homepage in nationalsozialistischer Tradition vor der degenerierten "Mischgesellschaft". Darüber hinaus wird auf dem Flyer in erster Linie auf die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge verwiesen, auf der Homepage von "Drei-Sterne-Hotels mit Vollpension" fabuliert. Ein Artikel des Journalisten Karsten Leng in den Kieler Nachrichten spricht hingegen in Bezug auf die Flüchtlingsunterkunft im Haart von dringendem Renovierungsbedarf: "In den Waschräumen sind wie seit anno Krug noch die alten langgestreckten Steingutbecken in Betrieb. Großraumduschen lassen keinen Raum für Privatsphäre bei der Körperreinigung. In den ehemaligen Mannschaftsstuben besteht das Mobiliar aus Betten und Spinden der Bundeswehrserie 'Olympia', die seit den 70er Jahren ihre Pflicht erfüllen. Durch die maroden Fenster pfeift der Wind."2 Ein bereits 2008 im Gegenwind unter dem Titel "Wie im Gefängnis?" veröffentlichter Artikel gibt noch detailliertere Einblicke.3 

In diesem Kontext machte ein Sprecher der Jugendlichen ohne Grenzen in einem Interview im Deutschlandfunk deutlich, dass der Schutz von Flüchtlingen "humanitärer Schutz und kein Abfallprodukt ökonomischer Nutzenkalküle" sein dürfe. Andererseits, so der JOG-Sprecher weiter, sei die Aufnahme von Flüchtlingen selbst aus ökonomischer Perspektive sinnvoll: "Wenn man sie fördert, kann Deutschland so viel profitieren."4 

 

Wer im Glashaus sitzt...

Der Flyer, der von Mark Proch (im November 2013 an einem gewaltsamen Angriff auf antifaschistische Journalist_Innen beteiligt5) und Daniel Nordhorn (bei dem oben genannten Angriff ebenfalls beteiligt und zuletzt im Januar 2014 wegen Beleidigung und Volksverhetzung verurteilt6) verteilt wurde, stellt des Weiteren die in Neumünster untergebrachten Flüchtlinge unter den Generalverdacht der Kriminalität, im Internet ist von "Fachkräften für Fahraddiebstahl [sic!], Einbruch und Vergewaltigung" die Rede. Konkrete Beweise wie Gerichtsurteile führen sie dafür keine an, und auch der an anderen Stellen platzierte Verweis auf die viel zitierte Kriminalitätsstatistik, die unlängst die Stadt an der Schwale mit dem bundesweit dritten Platz auszeichnete, kann kaum als Beweis angeführt werden. In einem Artikel des Handelsblatt heißt es dazu: "So gibt es in Neumünster etwa ein Auffanglager für Flüchtlinge und Asylsuchende. Und die begehen Straftaten, die für Deutsche gar keine wären. So machen sie sich etwa strafbar, wenn sie das Stadtgebiet verlassen.* [...] 'Außerdem ist die Anzeigebereitschaft bei Delikten, die von Ausländern begangen werden, deutlich höher – um etwa 50 Prozent', sagt Baier."7

 

Die Mär von den 95%

Im Flyer schwadroniert die extrem rechte Partei zudem vom "Asylmissbrauch". Auf der Internetseite der NPD Schleswig-Holstein wird behauptet, über 95% der Asylbewerber wären "Wirtschaftsflüchtlinge und Asylbetrüger, die umgehend in ihre Heimatländer abgeschoben werden müssen." "Asylmissbrauch" mit vermeintlich unbegründeten Aslyanträgen gleichzusetzen ist mehr als fraglich, zudem haben selbst dann Nordhorn und Co. schlecht gerechnet: Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlichten Zahlen für 2012 zeigen, dass von den 2.472 gestellten Asylanträgen 684 wegen politischer Verfolgung, aufgrund der Genfer Konvention oder Abschiebehindernissen wie Folter oder Krieg stattgegeben oder daraufhin eine Duldung erteilt wurde, was einem Anteil von 28% entspricht – würde mensch der NPD-Behauptung glauben schenken, dürfte diese Quote bei nur 5% liegen. Die taz verweist zudem darauf, dass diese Quote eigentlich noch viel höher sein müsste: "Sehr viele der abgelehnten Asylbewerberinnen und -bewerber erhalten kein Asyl, weil sie aus vermeintlich „sicheren Drittstaaten“ einreisen. Auch Bürgerkriegsflüchtlinge erhalten z. B. prinzipiell kein Asyl, auch wenn ihr Leben in ihrem Herkunftsland noch so sehr bedroht sein sollte. Diese und zahlreiche weitere Gründe führen dazu, dass die Ablehnungsquote in Deutschland bei Asylbewerber/innen sehr hoch ist, obwohl häufig eine tatsächliche Verfolgung vorliegt."8 Die ursprünglich von dem früheren Innenminister Zimmermann postulierte Mär von den 95%, den die NPD aufgreift, wurde bereits 1989 mehrfach widerlegt (vgl. z.B. Süddeutsche Zeitung vom 04./05.02.1989: "Caritas: Zimmermann mißbraucht Zahlen. Verband weist Äußerungen über Asylbewerber als 'irreführend' zurück".)

 

Alltäglicher und staatlicher Rassismus In Neumünster sind Flüchtlinge indes nicht nur durch extrem rechte Hetze bedroht, sondern auch vom Alltagsrassismus betroffen, den der NDR auf einer Videoreise nachgegangen ist,9 sowie vom im Asylsystem verankerten staatlichen Rassismus. Wie prekär ihre Lage ist, brachte ein vor wenigen Wochen vom shz veröffentlichter Artikel auf den Punkt: "Bei jedem Fehler droht die Abschiebung"10. Proteste von Flüchtlingen versucht die Polizei aber im Keim zu ersticken: Im März vergangenen Jahres wurde eine Kundgebung "für die Abschaffung der unmenschlichen Abschiebegesetze, die Schließung aller Flüchtlingslager und die Abschaffung der Residenzpflicht"11 vor der Scholtz-Kaserne gewaltsam aufgelöst, es wurde u.a. Pfefferspray eingesetzt. Während die NPD in Bezug auf die Flüchtlingspolitik von einer "Willkommenskultur" faselt, titelte die taz anlässlich der Polizeigewalt: "Faustschläge für Flüchtlinge"12

 

 

 

Anmerkungen:

* "Die Residenzpflicht ist eine gesetzliche Regelung, die Flüchtlinge massiv in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkt. Sie hat in Deutschland ihre Wurzeln im Dritten Reich, wurde im Apartheids-Südafrika vollzogen und ist europaweit nahezu einmalig."13


Quellen:

1 - http://www.swr.de/report/presse/npd-asylbewerber/-/id=1197424/did=12301994/nid=1197424/1tkavvk/index.html

2 - http://www.kn-online.de/Lokales/Neumuenster/Scholtz-Kaserne-ist-sanierungsbeduerftig

3 - http://www.gegenwind.info/236/fluechtlingsunterkunft.html

4 - http://www.deutschlandfunk.de/wenn-man-sie-foerdert-kann-deutschland-so-viel-profitieren.724.de.html?dram:article_id=99299

5 - https://linksunten.indymedia.org/node/100229

6 - http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/npd-vorstandsmitglied-verurteilt

7 - http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/prognos-zukunftsatlas-2013-auslaender-begehen-straftaten-die-fuer-deutsche-keine-waeren/9242446-3.html

8 - http://www.taz.de/!96618/

9 - http://www.ndr.de/regional/dossiers/der_norden_schaut_hin/schauplaetze/videoblog303.html

10 - https://www.shz.de/lokales/holsteinischer-courier/bei-jedem-fehler-droht-die-abschiebung-id5761201.html

11 - http://antifanms.blogsport.de/2013/03/13/18-03-13-aufruf-zur-unterstuetzung-der-fluechtlings-bustour-in-nms/

12 - http://www.taz.de/!113135 

13 - www.fluechtlingsrat-bayern.de/residenzpflicht.html