Spanien zerrt internationale Friedensvermittler vor Sondergericht

Vermittler Mannikalingam, Kasrils und Maccabe vor dem Sondergericht

Die Vertreter der Kommission, die die Entwaffnung der ETA überwacht hat und die Ergenisse am Freitag vorgestellt hat, wurden vor den Sondergerichthof in Madrid gezerrt. Es zeigt sich, wie richtig der inhaftierte Batasuna - Sprecher mit seienn Thesen liegt, die er im gerade in Deutschland veröffentlichten Buch "Lichtblicke im Baskenland" dargelegt hat. 

 

Im Baskenland wird scharf verurteilt, dass internationale die Vermittler im Friedensprozess am Sonntag vor den Nationalen Gerichtshof nach Madrid gezerrt worden sind. Der baskische Regierungschef Iñigo Urkullu reiste extra mit den Vermittlern aus Südafrika, Irland und Sri Lanka in die spanische Hauptstadt, um ihnen vor dem Sondergericht seine weitere Unterstützung zuzusichern.

 

Mitglieder einer vor zweieinhalb Jahren gebildeten Internationalen Überprüfungskommission (ICV) hatten am Freitag im baskischen Bilbao verkündet, dass die Untergrundorganisation ETA unter ihren Augen mit der Entwaffnung begonnen hat.  Deshalb wurden vor den Sondergerichtshof zitiert. Sie sollten zu den Umständen des Treffens aussagen und um die ETA-Mitglieder zu identifizieren, die auch auf einem Video zu sehen sind, das die britische BBC am Freitag gesendet hat.

 

Die Polizei hatte vor ihrer Abreise drei von fünf Vermittlern am Flughafen Vorladungen zugestellt. Die Holländerin Fleur Ravensbergen und die Ecuadorianerin Aracelly Santana hatten Spanien schon verlassen und mussten deshalb nicht aussagen. Es waren Ram Manikkalingam aus Sri Lanka, der die Kommission leitet, der Südafrikaner Ronnie Kasrils und der Ire Chris Macabbe, die vom Richter Ismael Moreno gut Stunden vernommen wurden. Manikkalingam hatte vollständige "Transparenz" und "Zusammenarbeit" mit der Justiz zugesichert.

 

Der Professor an der Universität Amsterdam und Präsident der renommierten Dialogue Advisory Group (DAG) sagte dem Richter, das Treffen mit der ETA habe im Januar im südfranzösischen Toulouse stattgefunden, also außerhalb der spanischen Gerichtsbarkeit. Manikkalingam sei in Begleitung Kasrils, einem Kampfgefährten von Nelson Mandela, mit dem Zug nach Toulouse gereist, worum die ETA in einem Brief gebeten habe. Das Treffen sei von einem der Maskierten ETA-Mitglieder gefilmt worden. "Wir sind Profis mit Erfahrung", erklärte Manikkalingam nach der Vernehmung, "und wir glauben, dass nun eine einzigartige Chance für eine Friedenslösung besteht".

 

Die ETA habe sich seit der Erklärung vor zwei gut zwei Jahren, den bewaffneten Kampf nach 50 Jahren ohne Vorbedingungen "endgültig" einzustellen, an alle Verpflichtungen gehalten, bekräftigten die Prüfer. "Sie hat sich zum einseitigen Vorgehen verpflichtet und wir sind hier, um dabei zu helfen, dass dieser Vorgang im Interesser aller Bewohner des Baskenlands und Spaniens abgeschlossen wird", sagte Manikkalingam. Die von der ETA vorgezeigten Waffen, Sprengstoffe und Munition seien unbrauchbar gemacht worden. Auf die Frage, wer die Aktivitäten bezahlt, erklärten die Vermittler, das Geld komme von der DAG und skandinavischen Staaten. Norwegen ist in die Friedensbemühungen stark involviert. Wie der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte auch die ehemalige norwegische Regierungschefin Gro Harlem Bruntland an einem Friedenskongress teilgenommen. 2006 und 2007 fanden direkte Gespräche zwischen der ETA und der sozialistischen spanischen Regierung in Oslo statt.

 

Doch die neue konservative Regierung will von einem Dialog und Vermittlung nichts wissen, obwohl Innenminister Jorge Fernández die Entwaffnung als "positiven Schritt" bezeichnete. Er erklärte aber: "Wir brauchen keine internationalen Prüfer", die paramilitärische "Guardia Civil und die Polizei reichten bei weitem aus. Er sagte aber nicht, wie der komplizierte Vorgang durchgeführt werden könnte. Der Führer der regierenden spanischen Volkspartei (PP) Esteban Gónzalez Pons behauptete am Sonntag sogar, die Vermittler "arbeiten für die ETA" und er sprach von einem "Spektakel".   Für viele Beobachter war erstaunlich, dass die Staatsanwaltschaft den Vorladungen zustimmte, welche die Opferorganisation Covite beantragt hatte. Das sie als Ministerium zur Regierung gehört, stützt die Regierung das Vorgehen.

 

Im Baskenland wird das ungewöhnliche Vorgehen scharf verurteilt. Der Verantwortliche für Frieden und Zusammenleben der baskischen Regierung sprach davon, dass die spanische Regierung für einen "Zustand der Erschütterung" sorge. Jonan Fernández forderte sie auf, "über die Konsequenzen nachzudenken". Vermutet wird, dass die Vernehmungen eine Warnung für den baskischen Regierungschef ist, denn der hat angekündigt, mit der ETA sprechen zu wollen, um deren Entwaffnung und Auflösung zu beschleunigen. Der Sprecher der sozialdemokratischen Solidaritätspartei (EA) meint, Spanien mache sich international "lächerlich".  Pello Urizar warf Spanien vor, kein Interesse an einer Friedenslösung zu haben, weshalb der Vorgang "boykottiert und unmöglich" gemacht werden soll. Die linke Unabhängigkeitsbewegung meint ebenfalls, die Regierung mache sich mit dem Vorgehen lächerlich, das in Friedensprozessen weltwein Vergleiche sucht. Es werde das gesamte Arsenal ausgepackt, weil Spanien keinen Frieden will.

 

Das ist die Analyse der inhaftierten Sprechers der ehemaligen Batasuna-Partei. Arnaldo Otegi beschreibt das in dem gerade auch in Deutschland veröffentlichten Buch "Lichtblicke im Baskenland" sehr deutlich.  "Ich kann Ihnen versichern, dass sich Teile in Spanien bequem im Konflikt (aus dem sie erheblichen politischen und wirtschaftlichen Profit ziehen), eingerichtet haben. Sie sind deshalb an keiner friedlichen und demokratischen Lösung interessiert."

 

Er spricht damit zum Beispiel den ehemaligen Innenminister Jaime Mayor Oreja an, der Postfaschist macht mit Prosegur gute Geschäfte über Leibwächter, Bewachung...  Der Europaparlamentarier wollte in einem Interview nicht einmal den Franquismus verurteilen, "weil er einen breiten Sektor der Spanier repräsentierte" und viele Familien die Diktatur "natürlich und normal erlebt haben".

 

"Die Struktur des spanischen Staates und dessen politische Kultur ist im Kern autoritär und undemokratisch ist. Da ist das erdrückende Gewicht der katholischen Kirche, die Unfähigkeit auch nur eine liberale Revolution durchzuführen, die Vetternwirtschaft, dass Betrug und windige Geschäfte zur kulturellen Identität wurden". Dazu kämen die Komplexen und Ängste darüber, dass das einstige Weltreich seine Kolonien verloren hat. "Das alles führt in letzter Konsequenz dazu, dass sich der Glauben konsolidiert hat, dass Spanien zusammenbricht, wenn sein plurinationaler Charakter nicht radikal negiert wird." Also Basken, Katalanen, Galicier, ... anerkannt würden. Bekannt ist was geschah, als dies in der Republik geschah und die Generäle unter Franco Putschten, um das eine und große Vaterland zu retten.

 

"Ich glaube, mehr als der bewaffnete Kampf an sich, dient die baskische Unabhängigkeitsbewegung (manchmal auch die katalanische) als notwendiger «Feind im Inneren», um das zusammenzuhalten, was spanische Nationalisten Spanien nennen. Denn wie in den Zeiten der  Reyes Católicos (Katholischen Könige) oder der Zeit von Felipe II ist Spanien ein Konstrukt, dass sich «gegen» andere richtet: Die Mauren,  die Juden, die Morisken , die Marranen , die Hexen, die baskische Unabhängigkeitsbewegung… Wenn der «gemeinsame Feind», verschwindet bricht der Bruderkrieg aus.“ 

 

Otegi ist nur deshalb inhaftiert, weil er federführend dafür gesorgt hat, dass sich die ETA auf den neuen Weg begibt. Das meint auch der Generalsekretär der spanischen Sozialisten (PSOE) im Baskenland. Jesus Eguiguren kritisiert mit seinen Worten auch die Parteifreunde in der Hauptstadt, die Otegi nach dem letzen gescheiterten Friedensprozess inhaftieren ließen: "Otegi wurde inhaftierte, weil er für den Frieden gearbeitet hat. Wenn er wie früher weitergemacht hätte, wäre er in Freiheit". 

 

Die baskische Linke setzt auf rein demokratische Mittel, wie ziviler Ungehorsam... und der bewaffnete Kampf musste verschwinden, weil er  "die Bündelung der sich verstärkenden Kräfte und der Aktivierung der Bevölkerung verhindert, um die Konfrontation auf die politische Ebene  zu bringen". Denn auf dieser Ebene seien die am Konflikt beteiligten Staaten Spanien und Frankreich schwach. Die baskische Linke will  Bedingungen dafür schaffen, damit sich die Initiativen der Zivilgesellschaft entfalten könnten. "Allein der Kampf der breiten Masse, in den Institutionen und auf ideologischer Ebene" könne zur "Veränderung des Kräfteverhältnisses führen". Das gelte auch für die internationale Unterstützung, wird aus der Reflektion der bisherigen gescheiterten Prozesse geschlossen.

 

Er blickt dabei auch auf die Lage in Spanien. "Je mehr Zeit ohne bewaffnete Aktionen der ETA vergeht, während sich gleichzeitig die Lebensbedingungen der Arbeiter und einfachen Leute in Spanien verschlechtern, desto größere Möglichkeiten zunächst zur Annäherung und später zur Verständigung mit breiten progressiven Sektoren werden geschaffen. Das wird uns erlauben, das aufzuzeigen, was uns mit der  Arbeiterschaft in Spanien eint: Es ist nicht die Zugehörigkeit zu einer Nation, sondern der Umstand, dass wir derselben Klasse angehören.“ 

 

Und damit wird es für die faktischen Mächte in Spanien gefährlich, wenn die ETA nicht mehr als Element zur Spaltung zwischen denen eingesetzt werden kann, die eigentlich in der sozialen Frage ähnliche Vorstellungen haben und sie nicht mehr dazu dient, abzulenken und die gravierenden Probleme in Spanien zu überdecken. Deshalb führt an deren Abwicklung kein Weg vorbei, egal was die spanische Regierung nun tut oder nicht.