Burschenschafter Norbert Weidner: Der lange Schatten des Verfassungsschutzes

Erstveröffentlicht: 
10.01.2014

Norbert Weidner ist einer der profiliertesten Burschenschafter und war eine Schlüsselfigur der militanten rechtsextremen Szene. Nun gerät der Ex-Funktionär unter Spitzelverdacht: In seiner Zeit als Neonazi-Kader soll er mit dem Verfassungsschutz kooperiert haben.

 

Von Florian Diekmann und Sven Röbel

 

Berlin/Hamburg - Einer der prominentesten Vertreter der Deutschen Burschenschaft (DB) steht unter Spitzelverdacht. Norbert Weidner, bis November 2012 Spitzenfunktionär der DB und Chefredakteur der Verbandszeitschrift "Burschenschaftliche Blätter", soll in seiner Zeit als Führungsfigur der militanten Neonazi-Szene in den neunziger Jahren mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet haben.

 

Über die Spitzel-Vorwürfe gegen Weidner berichtet das auf die Beobachtung des Rechtsextremismus spezialisierte "Antifaschistische Info Blatt" (AIB). Die Publikation beruft sich auf ein geheimes Thesenpapier des Bundeskriminalamts (BKA) aus dem Jahr 1997, in dem die Wiesbadener Polizeibehörde seinerzeit die Namen von insgesamt neun Rechtsextremisten aufgelistet hatte, die zeitweise offenbar auch als Quellen des Verfassungsschutzes agierten.

 

Unter ihnen befand sich dem AIB-Bericht zufolge auch Norbert Weidner, der bis Mitte der neunziger Jahre Landesgeschäftsführer und "Auslandsbeauftragter" der neonazistischen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) war. Über die brisante BKA-Analyse hatte im November 2012 bereits der SPIEGEL berichtet.

 

Zu den Vorwürfen sagte Weidner dem SPIEGEL, dass er sich "dazu nicht äußern" wolle. "Die Sachlage", so Weidner am Telefon, sei "weitaus komplizierter, als sie aus dem Artikel des AIB hervorgeht und wird dem Vorwurf, ich sei ein Spitzel gewesen, nicht gerecht".

 

Weidner beteuert den Bruch mit der Neonazi-Szene


Klar dementieren mochte der 41-Jährige eine mögliche Kooperation mit dem Verfassungsschutz in den neunziger Jahren jedoch nicht. Konkreten Fragen, ob er jemals mit dem Inlandsnachrichtendienst zusammenarbeitete, sich als V-Person anwerben ließ oder Geld vom Verfassungsschutz erhielt, wich Weidner aus. Er erklärte lediglich: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen."

 

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich auf Anfrage zum Fall Weidner nicht äußern.

 

Im April 2012 war Weidner in die Schlagzeilen geraten, weil er den von den Nationalsozialisten ermordeten NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als "Landesverräter" bezeichnet hatte. Ein Bonner Gericht verurteilte Weidner daraufhin wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Geldstrafe. Nachdem er die Berufung verloren hatte, kündigte sein Anwalt an, Revision einzulegen.

 

Im Juli 2012 beteuerte Weidner, seit langem mit der Neonazi-Szene gebrochen zu haben. Damals teilte er SPIEGEL ONLINE mit, er wolle nicht "plötzlich wieder als extrem wahrgenommen werden". Er sei seit seiner FAP-Zeit "kein Rechtsextremist mehr" und habe seit 1995 "keine derartigen Aktivitäten entfaltet".

 

Anders sah das in der ersten Hälfte der neunziger Jahre aus, als die Neonazi-Szene nach der Wiedervereinigung enorm erstarkte. Weidner machte damals eine steile Karriere als Rechtsextremist und wurde schnell zu einer Führungsfigur erst der nordrhein-westfälischen, später der gesamtdeutschen Szene, wie Zeitungsberichte aus jener Zeit belegen.

 

Nach seinem Rückzug wird er Burschenschafter


Nachdem ein Mob von Neonazis und Anwohnern im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen ein Asylbewerberheim angezündet hatte, reiste Weidner aus Bonn an und gab mindestens ein TV-Interview (zu sehen ab Minute 20 in dieser ARD-Dokumentation).

 

Kurz darauf entwickelte Weidner maßgeblich die "Anti-Antifa" mit, die Daten von Neonazi-Gegnern sammelte und in einschlägigen Postillen veröffentlicht - ein kaum verhohlener Aufruf zur Gewalt.

 

Als die FAP im Februar 1995 verboten wird, fungiert Weidner als Landesgeschäftsführer in NRW - und soll kurz vor einer polizeilichen Durchsuchungsaktion wichtige Dokumente geschreddert haben.

 

Wenig später verließ Weidner öffentlichkeitswirksam die militante Neonazi-Szene, legte aber in einem ausführlichen Interview mit der "taz" ausdrücklich Wert darauf, er sei nicht ausgestiegen, sondern habe sich lediglich zurückgezogen. Und er äußerte sich auch zum Verfassungsschutz: "Die Szene ist viel zu transparent, überall sind Spitzel, überall werden wir von Verfassungsschützern überwacht." Für ihn selbst gelte: "Ich will raus, ohne jemanden zu verraten."

 

Nach seinem Rückzug aus der Szene studierte Weidner und wurde 1999 Burschenschafter bei der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn - jener Studentenverbindung, die 2011 durch die sogenannten "Arier-Anträge" in die Schlagzeilen geriet. Ab 2004 fungierte er zudem als Funktionär im Dachverband DB, von 2008 bis 2012 als Chefredakteur der Verbandszeitung.

 

In den heftigen Flügelkämpfen des Verbands spielte er in dieser Funktion eine Schlüsselrolle: Nach seiner Verunglimpfung Bonhoeffers bestand der national-liberale Flügel auf seiner Demission, der rechtsextreme Flügel stemmte sich dagegen. Auf dem Burschentag im Mai 2012 kam es daher zum Eklat, auf einem außerordentlichen Burschentreffen im November des gleichen Jahres gelang zwar die Abberufung Weidners - doch die erbitterte Kontroverse hatte die Spaltung des Dachverbands da bereits besiegelt. In der Folge verließen liberalere Bünde den Dachverband - und die Deutsche Burschenschaft rückte noch weiter nach rechts.

 

Ein Sprecher des Dachverbands nahm bislang auf Anfrage keine Stellung zu den Vorwürfen. Die Raczeks teilten mit, das "AIB" nicht zu beziehen und sich daher nicht äußern zu können.